Der Imperativ Singular lässt Federn. Ich wünsche mir mehr Achtsamkeit beim Sprechen und Schreiben dieser häufig verwendeten Befehlsform. Mein Blogpost für alle, die stilsicher an ihr Gegenüber appellieren wollen.

„Bewerbe dich jetzt!", diesen Aufruf lese ich immer häufiger in Job-Angeboten auf Instagram & Co. Ich vermute: Vielen fällt der Fehler gar nicht auf. Es heißt richtig: "Bewirb dich!". Genauso wie es korrekt lautet "„Nimm dir" Wasser statt „Nehm dir" oder „Nehme dir". Das allgegenwärtige Verwässern des Imperativs Singular legt sich in mir quer. Meine Liebe zur deutschen Sprache sehnt sich nach Korrektur. Deshalb blogge ich über den Imperativ Singular und habe dabei die Stimme meines Lateinlehrers aus der Maria-Ward-Schule in Landau/Pfalz im Ohr: "Imperativ kommt von imperare: befehlen, gebieten, herrschen, beherrschen." 

Der Imperativ ist die Befehlsform. Der Imperativ Singular steht in der Grammatik für den Fall, eine einzelne Person aufzufordern, etwas zu tun oder zu unterlassen. 

Wie du die richtige Form findest, erfährst du in diesem Artikel, also lies aufmerksam.  

Die Imperativ-Grundregel: Weg mit dem „-en"

Bei den meisten Verben formt sich der Imperativ im Singular ganz einfach: Man nimmt den Infinitiv, also die Grundform, und streicht das „-en".

Beispiele sind:

  • machen: Mach die Tür zu!
  • spielen: Spiel nicht mit dem Feuer!
  • denken: Denk an Tante Magdas Geburtstag.
  • hören: Hör auf damit!

  • stehen: Steh auf! 

Einfach, oder? Hier gilt: Kein „-e" am Ende. Wer "mache" schreibt, möchte vermutlich besonders höflich formulieren. Doch die Regel für den Imperativ Singular lautet hier glasklar: Das „-e" muss weg.

 

Verben mit Zischlaut, schwierigem Stamm oder -t/-d brauchen das „e"

Bei manchen Verben wäre die verkürzte Imperativform schwer auszusprechen. Deshalb bleibt hier das -e stehen, um die Aussprache zu erleichtern. Das betrifft viele Verben mit -t, -d, -tm, -gn oder -fn im Wortstamm wie arbeiten, badenatmen oder begegnen. Oder für zeichnen, ein Verb mit Zischlaut. Beispiele sind:


• arbeiten: Arbeite nicht zu viel.

• antworten: Antworte mir bis morgen.

• baden: Bade im Glück.

• atmen: Atme tief ein und aus.

• zeichnen: „Bitte ... zeichne mir ein Schaf", sagt der kleine Prinz in der gleichnamigen philosophischen Erzählung von Antoine de Saint-Exupéry.

• öffnen: „Sesam, öffne dich!" – wie es in dem orientalischen Märchen Ali Baba und die vierzig Räuber geschrieben steht.

• begegnen: Begegne dir selbst mit Respekt.

• regnen: „Regne, regne, Frühlingsregen, weine durch die stille Nacht", dichtet Christian Morgenstern in „Frühlingsregen".

Also: Verben mit Zischlaut, schwierigem Stamm brauchen das „e". Auch wenn der Verbstamm auf -t, -d, -tm, -gn oder -fn endet, braucht der Imperativ Singular ein „-e", damit er verständlich bleibt.


Auch bei abstrakteren oder reflexiven Verben klingt die Form mit „-e" oft natürlicher oder ist stilistisch sinnvoll:

• erkennen: „Erkenne dich selbst" war bereits im 6. Jahrhundert vor Christus über dem Eingang des Apollon-Tempels in Delphi eingraviert. Das Original in altgriechisch sieht so aus: γνῶθι σεαυτόν. (Das habe ich recherchiert, ich beherrsche Altgriechisch nicht).

• erfahren: Komm vorbei und erfahre mehr.

• genießen: Genieße den Moment.

 

Die Stolperfalle: starke Verben mit Vokalwechsel

Knifflig wird es mit einer Gruppe von starken Verben wie „vergessen". Denn diese Tun-Wörter ändern im Imperativ den Stammvokal. Die Befehlsform im Singular geht aus der 2. Person Singular, der Du-Ansprache, hervor: Aus „Du vergisst" leitet sich „Vergiss!" als Imperativ Singular ab.

Weitere Beispiele für starke Verben mit Vokalwechsel findest du in dieser Tabelle. 

Infinitiv Du-Form Korrekter Imperativ Falscher Imperativ
nehmen du nimmst Nimm! Nehme!
essen du isst Iss! Esse!
vergessen du vergisst Vergiss! Vergesse!
lesen du liest Lies! Lese!
geben du gibst Gib! Gebe!
sehen du siehst Sieh! Sehe!
helfen du hilfst Hilf! Helfe!
sprechen du sprichst Sprich! Spreche!
werfen du wirfst Wirf! Werfe!

 

 

 

 

 

 

 

  


So ist es eben auch mit dem Verb „bewerben": Du bewirbst dich. Also heißt der Imperativ: „Bewirb dich!". Ein anderes Beispiel ist "treffen": Du triffst. Daraus folgt der Appell: "Triff" eine Entscheidung, einen Freund, was auch immer.

Bei diesen starken Verben ist die Gefahr am größten, Fehler zu machen. Dann klingen Formulierungen nicht nur falsch, sondern outen im beruflichen Kontext den Urheber als unprofessionell.

Was wäre die Regel ohne die Ausnahme?

Beachte das Verb „sein". „Sein" ist ein starkes, unregelmäßiges Verb. „Sein" bildet den Imperativ nicht nach dem üblichen Muster. Es heißt: Du bist. Doch der korrekte Imperativ lautet: „Sei!" Statt vom Infinitiv oder der Du-Form direkt abzuleiten, hat „sein" also seinen eigenen Imperativ.

Singular: Sei!
Plural: Seid! Seien Sie!

Das Schöne ist: Den Imperativ von „sein" beherrschen wir intuitiv. Diese Form ist vor allem deutschen Muttersprachlern sehr vertraut.

 

Appelle mit oder ohne Ausrufezeichen?!

Dosiere Satzzeichen mit Bedacht. Ausrufezeichen sind sinnvoll, wenn du eine Botschaft besonders kraftvoll, entschlossen oder dringlich transportieren willst.

Verlass dich bei Ausrufezeichen auf dein Sprachgefühl. Wenn das Ausrufezeichen zu viel ist oder zu forsch wirkt, lass es weg. 

Besonders in Fließtexten, die weich und einladend sind oder professionell zum Einsatz kommen, funktioniert der Imperativ tadellos ohne semantischen Verstärker. 

 

Mit Ausrufezeichen (betont, energisch, klar)

Komm her!

Hör auf damit!


Das Ausrufezeichen verstärkt die Aufforderung, wirkt deutlich, manchmal streng oder dringlich.

 

Ohne Ausrufezeichen (freundlich, weich, nüchtern)

Schau mal, was ich entdeckt habe.

Lass uns morgen telefonieren.


In diesen Sätzen mutet der Imperativ höflich und ruhig an. Er entspricht einem gemäßigten Gesprächston. 


Warum ist es wichtig, korrekt zu schreiben und zu sprechen?

Natürlich entwickelt sich Sprache weiter. Und natürlich nimmt uns die Künstliche Intelligenz beim Texten und Formulieren die Arbeit ab. Doch ich frage mich: Wie wollen wir persönlich auftreten? Wie präsentiert sich ein Unternehmen professionell?  Wofür stehen wir? Sprache ermöglicht Begegnung. Sprache stärkt Beziehung. Das Wort bewegt und berührt. 

Sprache ist die Bühne der Persönlichkeit und der Unternehmenskultur. Sie ist Ausdruck der eigenen Haltung. Die deutsche Grammatik verdient Pflege. Wer seine Sprache kultiviert, gewinnt Vertrauen und bekennt sich zu Qualität und Kompetenz.

Hinzu kommt: Wer seine Muttersprache korrekt spricht, vermittelt Respekt der eigenen Herkunft und Kultur gegenüber. Fehlerfrei zu formulieren, erfordert im Übrigen Disziplin von Deutschen, die im Dialekt groß geworden sind. Denn in Pfälzisch, Schwäbisch, Badisch, Hessisch folgen Konjugationen eigenen Regeln und weichen zuweilen sogar von Ort zu Ort voneinander ab. 

Übe und hör dir selbst zu!

Achte bewusst auf starke Verben mit Vokalwechsel und übe. 

Sprich deine Lieblingsimperative laut aus und höre genau hin. Dann hören dich auch andere.

 

Wenn Zweifel aufkommen, hilft der Duden. So einfach ist das. 

 

Was bewegt dich in punkto deutsche Grammatik? Wie und wo begegnet dir der Imperativ Singular? Was wolltest du schon immer einmal loswerden? 

 

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Ihre und Eure 

Susanne 

 

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